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Wahlprüfsteine... nachgefragt - SPD

Antwort von Uwe Höhn (Fraktionsvorsitzender SPD):

Erfurt, 5. Mai 2010

Sehr geehrte Frau Ronneburg, sehr geehrter Herr Gothe,
werte Mitglieder des Vereins QueerWeg,

zunächst herzlichen Dank für Ihren Brief vom 12. April 2010, den ich hiermit sehr gern beantworte.
Zugleich möchte ich mich dafür entschuldigen, dass unsere Antwort erst termingenau zu dem von Ihnen angegebenen Zeitpunkt, dem 10. Mai 2010, bei Ihnen eintrifft. Die schwierige finanzielle Lage des Freistaates Thüringen hat die Beratungen zum Landeshaushalt 2010, der letzte Woche endlich verabschiedetet wurde, nicht einfach gemacht.
Auch die Novellierung des Thüringer Kita-Gesetzes zur Verbesserung der frühkindlichen Bildung hat unsere ganze Aufmerksamkeit in den letzten Wochen gefordert.

Die SPD tragt seit einem halben Jahr Regierungsverantwortung für das Land Thüringen mit. Lm Koalitionsvertrag für eine CDU-SPD-Landesregierung vom Oktober 2009 konnten wir Sozialdemokraten umfassend unsere Forderungen zur Gleichstellung gleichgeschlechtlich Gesinnter gegenüber der Union durchsetzen:
Trotz Gefahr der Wiederholung mochte ich hiermit nochmals aus dem Koalitionsvertrag, S. 48, Punkt 17. Inneres, Untertitel ‚Bürgerrechte’ zitieren:

„Die Rechte gleichgeschlechtlicher Paare werden gestärkt. Es besteht 2104 Einigkeit, dass Lebenspartnerschaften zukünftig vor dem Standesamt 2105 geschlossen werden können. Versorgungsansprüche von Beamten werden 2106 entsprechend der noch ausstehenden bundesgesetzlichen Regelung 2107 ausgearbeitet.“

Aufgrund des Koalitionsvertrages Übernahm die CDU das Innenministerium in Regierungsverantwortung. Auch wenn die SPD-Abgeordneten des Arbeitskreises Inneres mit dem Ministerium in Verbindung stehen, so hat das Ministerium einen eigenen Entscheidungsspielraum darüber, welche Ziele des Koalitionsvertrages zuerst umgesetzt werden.

Wie aus Ihren Fragen berechtigterweise der Einwand mitschwingt, dass Vereinbarungen in Koalitionsverträgen noch keine umgesetzte Politik sind, so sehr möchte ich nach einem halben Jahr Regierungstätigkeit, die die SPD-Fraktion vom Landtag aus mit unterstutzt, darauf hinweisen, dass Koalitionsvertrage für die Dauer von fünf Jahren geschlossen werden. Nicht alles, was wir uns gemeinsam wünschen, ist innerhalb kürzester Zeit umsetzbar.

Versprechen kann ich Ihnen aber, dass bis zum Ende der Wahlperiode 2014 diese Ziele des Koalitionsvertrages umgesetzt sein werden. Die SPD-Fraktion wird sich dafür mit aller Kraft einsetzen.

Ich möchte nunmehr versuchen, Ihre konkret gestellten Fragen umfassend zu beantworten:

1. Die Thieringer Lehrpläne sowohl für die Regelschulen als auch für die Gymnasien bieten in den Fächern Biologie, Ethik, Katholische und Evangelische Religionslehre und Sozialkunde der Klassenstufen 8 bis 12 bereits jetzt Ansatzpunkte, gleichgeschlechtliche Lebensweisen zu thematisieren. Hierbei ist und bleibt das Engagement der Lehrerinnen und Lehrer vor Ort gefragt, das Thema entsprechend altersinteressant und in geeigneter Weise im Unterricht darzustellen.

Aus Sicht der SPD-Fraktion ist bei der ohnehin anstehenden Lehrplanrevision für alle Thüringer Schularten zu prüfen, wie die bereits bestehenden Ansätze weiter verstärkt sowie fächer- und schulartübergreifend noch besser miteinander vernetzt werden können, Zudem sollte überprüft werden, inwieweit es auch bei der Lehrerausbildung, Lehrerfort. und -weiterbildung Bedarf an verstärkter Auseinandersetzung mit den Aspekten sexueller Vielfalt und gleichgeschlechtlicher Lebensweisen gibt.

2. Am 26. März 2010 wurde ein Antrag der Fraktion Die LINKE im 16. Plenum des Landtages behandelt.

Der Innenminister der Thüringer Landesregierung hat hierzu einen Sofortbericht abgegeben, den ich Ihnen hiermit in Auszügen wiedergeben möchte, um Ihnen zu verdeutlichen, welche Maßnahmen seitens der CDU-SPD-Landesregierung ergriffen wurden und werden, um den von uns 2009 aufgezeigten Handlungsbedarf umzusetzen:

„Artikel 2 Abs. 3 der Verfassung des Freistaats Thüringen enthält unter anderem den Grundsatz, dass niemand wegen seiner sexuellen Orientierung bevorzugt oder benachteiligt werden darf. Dieses ausdrückliche Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität ist ein deutliches Bekenntnis, dass allein der Gesichtspunkt der sexuellen Ausrichtung eine ungleiche Behandlung in unserer Gesellschaft nicht rechtfertigen kann. Folgerichtig hat die Landesregierung in der Sitzung des Bundesrats am 27. November 2009 einen Gesetzesantrag der Länder Berlin, Bremen und Hamburg unterstützt, der eine Verankerung eines ausdrücklichen Diskriminierungsverbots im Hinblick auf die sexuelle Identität auch im Grundgesetz vorsah. Dies erfolgte nicht zuletzt auch deshalb, weil eine entsprechende Regelung auf der bundesverfassungsrechtlichen Ebene mittels der Ausstrahlungswirkung über die Generalklauseln in das Zivilrecht zahlreiche Rechtsbereiche betreffen würde. Der Gesetzentwurf hat jedoch nicht die erforderliche Mehrheit für die Einbringung beim Deutschen Bundestag gefunden.
Mit Blick auf das Landesrecht trägt die Landesregierung den Vorgaben des Artikels 2 Abs. 3 Thüringer Verfassung Rechnung.“
… „Es ist selbstverständlich, dass über“… (die) „im Koalitionsvertrag konkret genannten Vorhaben hinaus bei jeder anstehenden Gesetzesnovelle zu klären ist, ob die betreffende Norm ein Anpassungserfordernis aufweist und gegebenenfalls erforderliche Gleichstellungsmaßnahmen zu veranlassen sind.

Im Einzelnen:

1. Das zurzeit noch gültige Thüringer Ausführungsgesetz zum Lebenspartnerschaftsgesetz wird die Zuständigkeit zur Begründung von Lebenspartnerschaften, die bei den Landkreisen und kreisfreien Städten liegt, verändern. Es wird der Koalitionsvereinbarung entsprechend aufgehoben. Lebenspartnerschaften werden dann vor den Standesämtern geschlossen. Der Gesetzentwurf befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung.“

2. Handlungsbedarf ist auch im Dienstrecht erkennbar. Im statusrechtlichen Bereich ist bundesweit ein erster Umsetzungsschritt mit dem Inkrafttreten des Beamtenstatusgesetzes am 1. April 2009 erfolgt.
Nach § 9 des Beamtenstatusgesetzes sind Ernennungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse oder ethnische Herkunft, Behinderung, Religion oder Weltanschauung, politische Anschauung, Herkunft, Beziehungen oder sexuelle Identität vorzunehmen. Darüber hinaus werden die erforderlichen Anpassungen im Statusrecht des Freistaats Thüringen im Zusammenhang mit den Beratungen des Gesetzes zur Änderung des Dienstrechts - am 20. März bereits angekündigt - im Rahmen der 2011 anstehenden Überarbeitung des Thüringer Beamtengesetzes berücksichtigt. Eine entsprechende Vorgehensweise gilt auch für das Versorgungsrecht.
Im Hinblick auf die Formulierung des Koalitionsvertrages wird derzeit im Rahmen der Erarbeitung des Thüringer Beamtenversorgungsgesetzes eine Gleichstellung in der Hinterbliebenenversorgung geprüft. Eine kurzfristig durchgeführte Umfrage hat gezeigt, dass in der Mehrzahl der Länder im Beamtenrecht und hier insbesondere in Fragen der Besoldung, der Versorgung und des Beihilfenrechts bereits eine Gleichstellung erfolgt bzw. beabsichtigt ist.
Allerdings stellt sich das Bild sehr differenziert dar. Während Berlin, Hamburg, Bremen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz die Gleichstellung sowohl im Bereich der Besoldung, der Versorgung und der Beihilfe bereits vorgenommen haben, trifft dies für Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, das Saarland und Schleswig-Holstein nur im Hinblick auf die Beihilfe zu.

Meine Kollegin, die SPD-Abge0rdnete Birgit Pelke, hat in der gleichen Sitzung des Landtages am 26. März 2010 die Position der Sozialdemokratischen Fraktion hierzu deutlich gemacht.
Wir fanden es gut, dass man(n) und Frau im Thüringer Landtag sich dem Thema ,,Keine Diskriminierung wegen sexueller Orientierung“ kontinuierlich zuwenden. Über den Sofortbericht des Innenministers wurde uns sehr deutlich aufgezeigt, dass zum einen die Regierung nicht untätig gewesen ist und dass unter der Überschritt des Diskriminierungsverbots in der Verfassung des Freistaats Thüringen ausdrücklich alle anderen Gesetze angepasst werden müssen.
Für uns ist die Aussage des Ministers als ein Arbeitsauftrag zu verstehen, den man sich selbst gegeben hat, Wir hoffen daher auf eine regelmäßige Unterrichtung im Landtag darüber, was notwendigerweise zu erfolgen hat.
Wir haben die Landesregierung dann öffentlich gebeten und aufgefordert, was die Initiativen auf Bundesebene angeht, nicht nachzulassen, sondern auch zu sehen, dass über Länderabsprachen und auch über neue Mehrheiten auftragsgemäß auch auf Bundesebene Veränderungen folgen werden.

Der Antrag für einen Gesetzes-Check war viele Jahre lang auch die Position der SPD. Wir haben uns in der Koalition darüber leider nicht einigen können, einen solchen durchzuführen. Mit dem Sofortbericht des Innenministers wurden nun aber alle Gesetze aufgelistet, die einer dringenden Veränderung bedürfen. Wir werden im Laufe der Zeit Überprüfen - und ich hoffe auch darüber informiert werden -, was sich im Interesse des Verbots der Diskriminierung wegen sexueller Orientierung, weiter getan hat.
Aus all den genanten Gründen haben wir den Antrag der Linkspartei abgelehnt.

3. Aus der Beantwortung der Frage 2 ergibt sich ein klares ja darüber, dass Lesben und Schwule derzeit noch aufgrund Thüringer Gesetze benachteiligt werden.
Dazu gehören das Thüringer Ausführungsgesetz zum Lebenspartnerschaftsgesetz, das Thüringer Beamtengesetz und das Thüringer Beamtenversorgungsgesetz.
Die Aufhebung des zurzeit noch gültigen Thüringer Ausführungsgesetzes zum Lebenspartnerschaftsgesetz wird die Zuständigkeit zur Begründung von Lebenspartnerschatten, die bei den Landkreisen und kreisfreien Städten liegt, modifizieren. Lebenspartnerschaften werden dann vor den Standesämtern geschlossen.
Auf konkrete Nachfrage der SPD-Fraktion im Innenministerium wurde uns versichert, dass diese Änderung noch im Laufe des Jahres 2010 erfolgen wird.

Die Beseitigung der Benachteiligung von schwulen oder lesbischen Lebenspartnern durch das Thüringer Beamtengesetz und das Thüringer Beamtenversorgungsgesetz ist durch Vorlage von entsprechenden Gesetzesentwürfen Anfang 2011 geplant.

Ziel der Sozialdemokratischen Fraktion im Thüringer Landtag ist und bleibt die Zielvorgabe der Thüringer Verfassung hinsichtlich der Durchsetzung eines Benachteiligungsverbots wegen sexueller Orientierung in allen Lebensbereichen.

4. Bereits unter Beantwortung Ihrer Frage 2 ist angeklungen, dass die SPD-Landtagsfraktion Thüringen die Initiativen auf Bundesebene zur weiteren Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften eindeutig unterstützt.
Denn die SPD halt das allgemeine Gleichbehandlungsgebot in Artikel 3 des Grundgesetzes für nicht ausreichend. Es bleibt für Lesben und Schule ein Recht "zweiter Klasse".

Der erste Versuch zur Aufnahme des Benachteiligungsverbots wegen der sexuellen Identität in das Grundgesetz wurde 1993 von der gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat diskutiert und abgelehnt (vgl. Auszug BT-Drucksache 12/ 6000).

Für eine entsprechende Verfassungsäinderung fehlte seither eine notwendige 2/3-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Zu Zeiten der rot-grünen Bundesregierung gab es stets eine Blockade der CDU-geführten Länder im Bundesrat.

Insbesondere die vormalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) setzte sich lange für eine entsprechende Verfassungsänderung ein.
Ihrer Rede im Deutschen Bundesrat 2009 lasst nichts an Deutlichkeit offen: „Wenn dagegen das Merkmal ‚sexuelle Identität’ ausdrücklich im Grundgesetz steht, dann werden die Unterschiede zwischen der Ehe und der Lebenspartnerschaft im einfachen Recht keinen Bestand mehr haben. Das würde endlich die Gleichbehandlung von Lebenspartnerschaft und Ehe schaffen und ich bin überzeugt: Das wäre ein großer Gewinn für die Gerechtigkeit.“

Wie Sie sicherlich wissen, hatten im vergangenen Jahr die SPD-geführten Stadtstaaten Berlin und Bremen sowie die Freie und Hansestadt Hamburg den Vorschlag im Bundesrat eingebracht, ein Diskriminierungsverbot aufgrund sexueller Identität ins Grundgesetz aufzunehmen.

Die drei Stadtstaaten wollten die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern, Trans- und Intersexuellen erweitern und hierzu ein ausdrückliches Diskriminierungsverbot aufgrund der sexuellen Identität in der Verfassung verankern. Nach Auffassung der antragstellenden Länder sind Personen mit gleich- oder mehrgeschlechtlichen sexuellen Neigungen auch heute noch Anfeindungen, gewaltsamen Übergriffen und Benachteiligungen ausgesetzt. Sie argumentierten: Das allgemeine Gleichheitsgebot des Grundgesetzes biete keinen ausreichenden Schutz dieser Bevölkerungsgruppen. Einfache gesetzliche Diskriminierungsverbote hatten die Situation der Betroffenen zwar deutlich verbessert, ein ausdrückliches verfassungsrechtliches Verbot der Diskriminierung schaffe jedoch eine klare Maßgabe für den Gesetzgeber.

Auch wenn aus Sicht der drei Länder ein Umschlagen des gesellschaftlichen Klimas gegenüber den Genannten derzeit nicht zu befurchten ist, sei es jedoch eine wesentliche Funktion der Grundrechte, ihren Regelungsgehalt der Gestaltungsmacht des einfachen Gesetzgebers und damit dem Wechselspiel der verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Kräfte zu entziehen. Zudem entfalte ein verfassungsrechtliches Diskriminierungsverbot eine Ausstrahlungswirkung in zahlreiche andere Rechtsbereiche.
Dieser Begründung ist aus Sicht der SPD-Landtagsfraktion Thüringen nichts hinzuzufugen.

Am 27.11.2009 wurde der Gesetzentwurf dann mit der Mehrheit der CDU-geführten Länder im Bundesrat abgelehnt.

Thüringen hatte - natürlich auch aufgrund der klaren Unterstützung durch die SPD- Landtagsfraktion - dem Antrag der Länder Berlin, Bremen und Hamburg zugestimmt.

Der Thüringer Justizminister Dr. Holger Poppenhager (SPD) zeigte sich deshalb sehr enttäuscht und positionierte sich durch entsprechende Äußerungen eindeutig in der Thüringer Presse.

Da wir seine Meinung vollständig teil(t)en, möchte ich sie hiermit nochmals wiedergeben:
„Wir haben bereits große Fortschritte bei der Gleichbehandlung von Frauen gemacht, jede Religion darf in unserem Land frei ausgeübt werden, auch die Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz wird diskutiert. Die Aufnahme des Merkmals der sexuellen Identität in Art. 3 Abs. 3 GG wäre ein notwendiger und richtiger Schritt gewesen, um dem einfachen Gesetzgeber eine klare Maisgabe zu geben und die rechtliche Situation der Betroffenen zu verbessern. Diese Chance wurde vertan.“

Nach dem Scheitern der Bundesratsinitiative hat die SPD-Bundestagsfraktion nun einen entsprechenden Gesetzentwurf (BT-Drucksache 17/254) vorlegt. Mit dem jetzigen Gesetzentwurf entspricht die SPD auch dem Anliegen des Lesben- und Schwulenverband Deutschlands (LSVD). Sowie den Vorstellungen der SPD-Landtagsfraktion Thüringen.

In dem Gesetzesentwurf der SPD-Bundestagsfraktion wird unter anderem zu Recht festgestellt, dass Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, transsexuelle und intersexuelle Menschen in unserer Gesellschaft auch heute noch Benachteiligungen ausgesetzt sind. Nur eine Verfassungsänderung kann garantieren, dass Gesichtspunkte unterschiedlicher sexueller Orientierung künftig nicht mehr zu Benachteiligungen, Diskriminierungen oder Strafbarkeit führen würden. Beleg für die Notwendigkeit einer solchen Grundgesetzänderung ist das frühere geltende Strafrecht, nach dem "Unzucht zwischen Männern" strafbar gewesen ist. Ein solcher Straftatbestand ist im Rahmen des derzeit geltenden Grundgesetzes möglich gewesen.
Deshalb soll mit der jetzigen Gesetzesinitiative erreicht werden, dass eine, auf Moral- und Wertvorstellungen beruhende Unterscheidung sexueller Verhaltens- und Lebensmuster, die von traditionell anerkannten Mustern abweichen, künftig an keiner Stelle mehr sachlich gerechtfertigt werden darf und auf diese Weise einem Wechsel von politischen Mehrheiten und dem Wandel von Moralvorstellungen entzogen werden.
Denn das Benachteiligungsverbot verhindert nicht nur bestimmte  sexuelle Tatbestände abhängig von der sexuellen Orientierung unter Strafe zu stellen, sondern fordert zugleich, unterschiedliche sexuelle Orientierungen und darauf beruhende Lebensweisen und Lebensformen in allen Gesetzen grundsätzlich gleich zu behandeln. Es kommt deswegen einem umfassenden Verbot für den Gesetzgeber gleich, unter dem Gesichtspunkt der sexuellen Orientierung unterschiedliche gesetzliche Regelungen zu treffen. Dies schließt alle Regelungen ein, einerlei ob das Strafrecht, Steuerrecht, Arbeitsrecht, Beamtenrecht, Kindschaftsrecht oder andere Rechtsbereiche davon berührt sind. Damit wird es Menschen mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen und Neigungen ermöglicht, sich Benachteiligungen zu widersetzen und mit Hilfe der Verfassung in allen staatlichen und gesellschaftlichen Bereichen ihre Interessen auf Gleichbehandlung durchzusetzen.

Mit diesem Gesetzentwurf will die SPD endlich erzwingen, dass eine unterschiedliche steuerliche Behandlung der Ehe und von geschlechtsgleichen Partnerschaften künftig nicht mehr möglich ist. Der Erfolg dieser Initiative hätte aber noch weitere Konsequenzen. So wäre es aus verfassungsrechtlichen Gründen kaum noch möglich, bei der Adoption von Kindern zwischen Ehepaaren und homosexuellen Lebenspartnern zu unterscheiden.

In der Anhörung des Rechtsausschusses am 21.04.2010 hat sich nun eine Mehrheit der Experten unter Hinweis auf das für ausreichend erachtete geltende Verfassungs- und Europarecht gegen eine Grundgesetzänderung zum Schutz der sexuellen Identität ausgesprochen.

Eine Haltung, die die SPD-Fraktion deutlich nicht teilt.

In der bald folgenden Abstimmung über den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion im Bundestag wird sich zeigen, was vpr allem von den vielen Bekenntnissen der FDP zum liberalen Rechtsstaat und zur Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften zu halten ist.

Wir sind wie Sie gespannt und hoffen auf eine deutliche Mehrheit für das gemeinsame Anliegen.

Ich hoffe, Ihre Fragen - soweit derzeit möglich - umfassend beantwortet zu haben.

Zugleich danke ich im Namen aller Mitglieder der SPD-Landtagsfraktion für Ihr Engagement und wünsche Ihnen weiterhin viel Kraft und Ausdauer zur Erreichung der von Ihnen selbst gesetzten Ziele.

Auch wenn wir in der Politik nicht alles sofort durch - und umsetzen können, was wir selbst für erforderlich erachten, so bleibt doch die gemeinsame Zielrichtung das Erstrebenswerte.

 

In diesem Sinne verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen

Uwe Höhn
Fraktionsvorsitzender