Die Bildungsgewerkschaft GEW, der Landesfrauenrat Thüringen, der Vielfalt Leben - QueerWeg Verein für Thüringen e. V., das Studierendenprojekt QueErfurt, der AIDS-Hilfe Weimar und Ostthüringen e.V. sowie politische Bildner_innen und Sexualpädagog_innen begrüßen den Thüringer Bildungsplan bis 18 Jahre in seiner Gesamtheit und die Berücksichtigung der Heterogenität der Kinder und Jugendlichen im Besonderen. Damit bildet der Bildungsplan auch eine Grundlage für ein inklusives Schulgesetz.
Die angekündigte Pressekonferenz der AfD am Dienstag, den 5. Juli zielt auf eine Aufklärungskampagne gegen den Bildungsplan. Die AfD-Fraktion wird in ihrer Einladung nicht müde zu konstatieren, sie lehne eine „Frühsexualisierung von Kindern, die ideologische Indoktrination an Thüringer Schulen und die aufgezwungene Akzeptanz, die in diesem Bildungsplan verankert sind, entschieden ab“. Damit beweist die AfD: Sie hat wieder einmal nichts verstanden oder wollte nichts verstehen.
Die Pluralisierung und zunehmende Gleichbehandlung von Lebens- und Erziehungsentwürfen, die wachsende Globalisierung und interkulturelle Öffnung der Gesellschaft sind Bedingungen, auf die das Bildungssystem reagieren muss. Kinder und Jugendliche wollen ihre Familienkonstellationen und Lebensentwürfe, ihre religiösen, geschlechtlichen oder sexuellen Ausdrucksweisen u.a. in der Realität der Bildungseinrichtungen wiederfinden. Darunter zählt auch die Auseinandersetzung mit Vielfalt. Diese fördert gesellschaftliche Handlungsfähigkeit, Selbstbestimmung und Teilhabe. Darauf reagiert der Thüringer Bildungsplan bis 18 Jahre. Dieser wurde von der vormaligen Landesregierung in Auftrag gegeben und artikuliert den Anspruch von Kindern und Jugendlichen auf bestimmte Bildungsinhalte.
Darüber hinaus sieht der Bildungsauftrag im Thüringer Schulgesetz vor, dass Kinder und Jugendliche lernen, Beziehungen zu anderen Menschen nach Grundsätzen der Toleranz und Gleichberechtigung der Geschlechter zu gestalten. Dazu gehören selbstverständlich auch LSBTI*-Menschen. Nicht zuletzt Artikel 2 der Thüringer Landesverfassung garantiert ein Bevorzugungs- oder Benachteiligungsverbot aufgrund von Herkunft, Abstammung, ethnischer Zugehörigkeit, sozialer Stellung, Sprache, der politischen, weltanschaulichen oder religiösen Überzeugung, des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung.
Die real gelebte Vielfalt an geschlechtlichen und sexuellen Identitäten, Ausdrucksweisen und Lebensformen wird im Bildungsplan erstmals adäquat thematisiert, indem sie gleichrangig etwa neben der Ethnizität, Religiosität und Soziokulturalität im Kapitel "Individuelle und soziale Vielfalt - Umgang mit Heterogenität" als Bildungsgrundlage erfasst wird. Zu behaupten, Schüler_innen würden dadurch frühsexualisiert, ist absurd. Damit offenbart die AfD ihre Unwissenheit hinsichtlich inklusiver und sexualerzieherischer Konzepte und missversteht absichtlich das Anliegen des Bildungsplans. Sie sexualisiert damit selbst die Debatte.
Der Bildungsplan wurde von einem wissenschaftlichen Konsortium erarbeitet und von einem Fachbeirat begleitet. In diesem sitzen neben Kirchen und Gewerkschaften eine Vielzahl von Vertreter_innen von unterschiedlichen Bildungsinstitutionen, etwa die Landeseltern- und die Landesschülervertretung.
Es gab zudem von Beginn an die Möglichkeit der zivilgesellschaftlichen Einflussnahme auf den Bildungsplan. Innerhalb der fünfeinhalbjährigen Erarbeitungsphase konnten sich an Bildung beteiligte und interessierte Personen und Institutionen mit einbringen. Dass der Bildungsplan ohne ausreichende Diskussion eingeführt werde, ist demnach genauso unhaltbar wie die Behauptung, die interessierte Öffentlichkeit, habe nicht die Möglichkeit der Mitbestimmung bzw. Einflussnahme besessen.
Der Bildungsplan gilt - gleich dem vorherigen Bildungsplan bis 10 Jahre, der in den neuen Bildungsplan integriert wurde - als Orientierungsrahmen und Brücke zwischen allen an Bildung beteiligten Professionen und Institutionen. Die bestehenden Rahmenlehrpläne und Schulgesetze werden durch diesen nicht abgelöst.
Um Austausch und Fragen um den Thüringer Bildungsplan und andere bildungsrelevante Aspekte zu ermöglichen, organisiert die GEW zusammen mit zivilgesellschaftlichen Akteur_innen am Dienstag von 14 bis 16 Uhr einen Informationsstand vor dem Thüringer Landtag. Damit setzen wir ein Zeichen für Transparenz und einen fundierten Umgang mit dem Bildungsplan sowie gegen populistische und unkonstruktive Stimmungsmache.
Zudem erarbeitete die GEW eine Argumentationsbroschüre, die Pädagog_innen, Eltern und Schüler_innen in der Auseinandersetzung mit diffamierenden Aussagen über eine Vielfalt wertschätzende Pädagogik unterstützen will: „Für eine Pädagogik der Vielfalt - Argumente gegen ultrakonservative, neu-rechte und christlich-fundamentalistische Behauptungen“. [1]